Arsenhaltige Tapeten – im wahrsten Sinne des Wortes „giftgrün“

Grün steht für Gesundheit, Natur und Umweltschutz?
Das war nicht immer so. Grüne Farbe brachte noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts vielen Menschen den Tod.

Giftgrüne Tapeten waren früher tatsächlich giftig
© Bild von mohamed Hassan auf Pixabay
27.02.2023

Grünes Farbpigment wurde aus natürlichen Substanzen wie Blättern hergestellt. Aber die gewonnene Farbe war leider stumpf und verblasste leicht.

Carl Wilhelm Scheele stellte 1778 die erste synthetische grüne Farbe her, die Scheeles Grün genannt wurde - allerdings enthielt sie Arsen.

Der Schweinfurter Fabrikant Wilhelm Sattler ließ sich von Scheeles Arbeiten über das arsenhaltige Grünpigment inspirieren. Er stellte 1814 sein eigenes Grün her und taufte es Schweinfurter Grün. Die Zusammensetzung dieses Farbpigments entsprach weitgehend der von Scheeles Grün und enthielt Arsenit. Schweinfurter Grün war sehr erfolgreich auf dem Markt, und zwar aufgrund ihrer Leuchtkraft und Brillanz und weil der Farbton gleichblieb, egal ob bei Tages- oder Kunstlicht.

Ballsäle, Teppiche, Kerzen, Kleidung – alles wurde in der neuen Modefarbe eingefärbt.

Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich in Europa die Tapetenindustrie entwickelt. Und natürlich wurde die beliebte Schweinfurter Grüne Farbe auch für Tapeten populär. Zunächst konnten sich nur die wohlhabenden Adeligen diese Wanddekorationen leisten. Aber durch billige Produktion auf Endlospapierrollen fanden die Tapeten ihren Weg auch in die Räume der weniger wohlhabenden Menschen.

Es war bereits bekannt, dass die Einnahme der Substanz Arsenit schädliche Auswirkungen haben könnte. Niemand ahnte jedoch, dass das Gift auch über die Atemwege in den Körper gelangen könnte...

1855 berichteten zwei Ärzte des Augsburger Krankenhauses von erkrankten Kindern, die in einer Einrichtung für Taubstumme lebten. Alle Räume waren in den Herbstferien grün gestrichen worden. Nach ihrer Rückkehr wurde mehr als die Hälfte der Kinder schwer krank.

Erst viel später wurde festgestellt, dass nach dem Auftragen der arsenhaltigen Farbe eine chemische Reaktion mit Feuchtigkeit stattfindet. Dadurch entstehen giftige Dämpfe von Arsenverbindungen.

Wegen der zunehmenden Zahl der gemeldeten Krankheiten wurde 1879 schließlich ein Gesetz erlassen, das den Verkauf von Tapeten mit Schweinfurter Grün mit einer Gefängnisstrafe belegte. Dadurch ging zwar der Verkauf von Schweinfurter Grün als Tapete und Anstrich zurück, doch stieg die Zahl der Erkrankungen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weiter an. Denn viele Wohnungen waren bereits mit der giftigen Farbe gestrichen oder tapeziert worden und Menschen hatten schon jahrelang dort gelebt und die giftigen Dämpfe tagtäglich eingeatmet.

Es dauerte fast 50 Jahre von den ersten Berichten über Vergiftungen durch Schweinfurter Grün bis zum endgültigen Verbot arsenhaltiger Pigmente für Tapeten und Innenfarben. Und dadurch bekommt das Wort „giftgrün“ eine ganz neue Bedeutung...

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