Der Papierverbrauch in Deutschland – ein kurzer Abriss

Was früher Papyrus, Hanf oder Bambus war, ist heute Papier oder Karton. Das Massenmedium hat eine interessante Geschichte mit einigen wichtigen Meilensteinen hinter sich: Von der Entwicklung des ersten Bleichmittels, über die industrielle Papierherstellung bis hin zur Digitalisierung haben sich Papierprodukte und unser Umgang damit verändert.

Papierverbrauch in Deutschland – ein kurzer Abriss
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07.05.2022
Quelle:  Birkner News

Ein Blick zurück: Die Papierbranche im Laufe der Zeit
Die Papierbranche war schon früh nach der Erfindung des Papiers stark mit Wissenschaft und Kultur verbunden: In der Antike und im Mittelalter wurden Schriften vor allem von Gelehrten verwendet. Dies ist heute anders, denn heutzutage ist Papier mehr als nur das Medium, um Wissen zu vermitteln. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist es auch für die Herstellung von Verpackungen, Hygieneartikel, Büroartikel, Spielzeug und sogar Einrichtungsgegenständen essenziell. Vor 200 Jahren war die industrielle Papierproduktion allerdings noch nicht das, was sie heute ist. Seither hat sie einen rapiden Verlauf genommen. 1850 produzierte man weltweit circa 100.000 Tonnen an Zellstofferzeugnissen im Jahr. Heute sind die Papiermaschinen bis zu 300 Meter lang und erzeugen bis zu 1.500 Tonnen Papierprodukte pro Tag. Weltweit produziert man heute mehr als 300 Millionen Tonnen jährlich!

Die Entwicklung des Bleichmittels
Aus Chlorgas, konzentrierter Schwefelsäure und Braunstein wurde 1785 erstmals Bleichmittel hergestellt. Diese Entdeckung beeinflusste die Papierindustrie massiv: Erstmalig war es möglich, weiße Blätter ohne umständliche Prozesse herzustellen. Allerdings wird dieses damals vom Franzosen Berthollet entwickelte Bleichmittel heute in Deutschland nicht mehr eingesetzt, da das darin enthaltene Chlorgas umweltschädlich ist. Seit den 80er-Jahren stellte sich die Industrie dahingehend um und setzt nun umweltverträglichere Alternativen wie Wasserstoffperoxid, Sauerstoff oder Ozon für die Papierherstellung ein.

Die moderne Papierherstellung
Im Gegensatz zum gestiegenen Papierverbrauch hat sich der Prozess der Papierherstellung im Laufe der Zeit nur wenig verändert. Seit der Erfindung des Holzschliffes 1843 ist die maschinelle Papierherstellung in großen Massen möglich geworden. Davor hat man es nur im manuellen Verfahren herstellen können, indem man einzelne Bögen geschöpft hat. Dies ist beim maschinellen Verfahren nicht mehr der Fall, denn hier hat man eine endlose Papierbahn zur Verfügung. So kam es, dass Papiermühlen nach und nach durch große Fabriken ersetzt wurden – die Industrialisierung nahm ihren Lauf.

Heute sind moderne Papiermaschinen zudem größer und schneller. Sie können aus mehr als hundert Leitwalzen für Siebe, Filze und Papierbahn bestehen und sind mit einer großen Anzahl an Trockenzylindern ausgestattet. Heutige Papiermaschinen sind außerdem so leistungsfähig, dass sie bis zu 2000 Meter Papierprodukte pro Minute herstellen können – das ist vor allem bei Massenmedien wie Zeitungspapier oder Wellpappenrohrpapier notwendig.

Eine weitere Besonderheit bei der modernen Papierherstellung ist die Einbindung von computergestützten Prozessleitsystemen. Dadurch kann eine stetige Kontrolle über für die Produktion relevante Faktoren wie Flächengewicht oder Papierbahnfeuchtigkeit ermöglicht werden. Das ist wiederum wichtig, um ideale Lauf- und Verarbeitungseigenschaften bei der Erzeugung und Weiterverarbeitung von Wellpappe herzustellen und um gleichmäßige, effiziente Querprofile und Längstrends zu erzielen.

Die heutige Papierbranche
Heutzutage wird die Papierbranche von internationalen Unternehmen dominiert. Im Jahr 2019 zählte Deutschland mit einer Produktion von 22,1 Millionen Tonnen an Papierprodukten zu den weltweit größten Papierherstellern neben Japan, China und den USA. 22% des hergestellten Papiers werden allein in Europa benötigt. Durch die Stabilisierung der Branche und den zeitgleich wachsenden Papierbedarf ist die Zahl der Papierfabriken in Europa in den letzten Jahren gesunken, während jedoch die Produktionszahlen in die Höhe geschossen sind. Im Jahr 2020 ist zwar die Papierproduktion leicht zurückgegangen, doch es gab deutliche Unterschiede in den verschiedenen Segmenten: Papier, das zu Verpackungen verarbeitet wurde, war stärker gefragt als im Vorjahr, während die Anzahl grafischer Papiere (Papier zum Bedrucken, Beschreiben und Kopieren) deutlich zurückging.

Folgen der Digitalisierung
Denkt man an die Digitalisierung, so liegt die Schlussfolgerung nahe, dass der Papierverbrauch durch sie schrittweise sinkt. Diese Annahme hat sich jedoch – betrachtet man das letzte Jahrzehnt – als falsch herausgestellt. Tatsächlich ist es so, dass die Deutschen trotz Digitalisierung nun mehr Zellstofferzeugnisse verbrauchen als zuvor. Doch auch weltweit steigt der Papierverbrauch stetig an. Wie kann das möglich sein?

Eine Wende im Papiergewerbe
Die Digitalisierung gilt als eine wichtige Wende in der Papierindustrie. Seit der Erfindung des Computers und spätestens seitdem jede:r von uns online unterwegs ist, dachte man, der Konsum von Papiergütern würde zurückgehen. Zum Teil hat sich das ja auch bewahrheitet: Viele greifen statt zu gedruckten Büchern und Zeitschriften lieber zum E-Reader oder arbeiten mit digitalen statt mit gedruckten Unterlagen. Dennoch ist es so, dass dieser Teil insgesamt nur einen kleinen Prozentsatz dessen ausmacht, was weiterhin nicht ganz ohne Papier funktioniert: Rechnungen, Bestell- und Lieferscheine, Pakete, Unterlagen, Mails, et cetera werden weiterhin ausgedruckt – obwohl das oft nicht notwendig ist. Das größte Problem liegt beim Konsum: Im Zuge der Digitalisierung ist es einfacher geworden, oft und schnell online zu bestellen. Außerdem arbeiten wir zunehmend online. Dennoch drucken viele Menschen ihre Unterlagen lieber aus, um damit zu arbeiten. Auch, wenn die Digitalisierung viele Vorteile bietet, nimmt dadurch der Verbrauch pro Kopf an Papiererzeugnissen zu. Viele Unternehmen verschicken beispielsweise bei einer Online-Bestellung zusätzlich zur Ware auch noch die Rechnung in ausgedruckter Form mit – obwohl diese bereits per Mail versandt wurde.

Oft wird auch ausgedruckt, was später nicht einmal gelesen wird. In deutschen Büros sind es ganze sechs Prozent der Ausdrucke, die ungelesen wieder im Papierkorb landen. In Ländern wie Italien sind es noch mehr: Hierzulande sind es 17 Prozent, die auf diese Art verschwendet werden. Das verursacht nicht nur Müll, sondern schadet auch enorm der Umwelt.

Die Antwort aus der Papierindustrie: Recyclingpapier
Die Papierindustrie hat es trotz der enormen Vorwürfe von Umweltschützer:innen geschafft, auf das Problem des zunehmenden Papierverbrauchs einzugehen. Eine umweltverträgliche Variante des herkömmlichen Primärfaserpapiers ist seit jeher das sogenannte Recyclingpapier, das aus bereits gebrauchtem Altpapier hergestellt werden kann. Recyclingpapier spart im Vergleich zum Primärfaserpapier bis zu 60% Energie und bis zu 70% Wasser, es verursacht dadurch weniger CO2 und verringert den Abfall.

Zu den Fakten: Für die Produktion von Recyclingpapier braucht man pro Kilo durchschnittlich 15 Liter Wasser, während die Produktion der umweltschädlicheren Variante ganze 50 Liter pro Kilo beansprucht. Auch die Fasergrundlage des Recyclingpapiers ist deutlich „grüner“: Statt rund 2 Kilo Holz wird nur noch 1,2 Kilo Altpapier benötigt. Tatsache ist auch: Holz ist ein Rohstoff, der nachwächst und somit von vielen Unternehmen als nachhaltig eingestuft wird. Dies stimmt aber nur zum Teil, denn die Menge an Rohstoffen, Energie und CO2, die notwendig ist, um Holz in Papier umzuwandeln, ist genauso zu berücksichtigen, wie der Rohstoff Holz.

Nachhaltige Wälder für nachhaltiges Papier
Doch Recyclingpapier ist nicht die einzige Art und Weise, wie die Papierindustrie auf den zunehmenden Papierverbrauch reagiert hat. Da heute jeder fünfte Baum, der neu gepflanzt wird, später zu Papierprodukten verarbeitet wird, ist die Art der Bepflanzung relevant für die Umweltbilanz des späteren Produktes. In Deutschland ist der Großteil der Wälder bereits nachhaltig aufgebaut. Viele deutsche Unternehmen haben in dieser Hinsicht bereits umgedacht, doch es bleibt weiterhin viel Luft nach oben: 80% des Holzes in der Papierindustrie in Deutschland stammen nämlich nach wie vor aus anderen Ländern. Das Problem daran: In vielen Ländern wie Russland oder Brasilien werden weiterhin illegal Wälder abgeholzt. Diese geschützten Urwälder haben einen enormen Einfluss auf das gesamte Ökosystem, das sie umgibt – somit ist dieser Weg der umweltschädlichste, den man in der Papierindustrie eingehen kann.

Eine Kreislaufwirtschaft
Im internationalen Vergleich hat Deutschland mit fast 80% Altpapier eine Top-Quote. Dennoch werden auch für dieses Primärfasern eingesetzt. Um auch in der Papierindustrie eine Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen, ist es erforderlich, andere Schritte vorzunehmen. Beispielsweise könnte es helfen, wenn entlang der gesamten Wertschöpfungskette das qualitative Recycling von Altpapier ermöglicht werden würde. Auch der Einsatz von Bioenergie statt umweltschädlicher Kohle oder Atomenergie kann helfen, eine Kreislaufwirtschaft aufzustellen. Verbände wie „die Papierindustrie“ in Deutschland fordern deswegen seit Langem Politiker:innen auf, Bioenergie bei der Papierherstellung mit staatlichen Geldern zu fördern. Auch die Logistik spielt bei der Kreislaufwirtschaft der Papiererzeugnisse eine Rolle: Wie wird es transportiert? Welchen Weg legt es zurück, bevor es genutzt wird? Viele Transporte in der Industrie wurden bereits von der Straße auf den Schienenverkehr verlagert. Doch auch hier fehlt es an ausgereiften, europaweiten Konzepten, die es ermöglichen würden, nationale und internationale Lieferketten zu vereinheitlichen.

Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland, Europa und der Welt
Beim Papierverbrauch sowie bei der Papierherstellung liegt Deutschland vorne. Im Jahr 2019 wurden hierzulande knappe 19 Millionen Tonnen Papier und Karton verbraucht. Auch beim Papierverbrauch pro Kopf gehörte Deutschland 2019 zu den Spitzenreitern: Im Durchschnitt hat jede:r Deutsche 227 Kilogramm Papierprodukte verbraucht. Das entspricht einer Menge von 625 Gramm Papier am Tag, was mit 600 Taschenbuchseiten zu vergleichen wäre. Mit diesen Zahlen konnte kein anderes Industrieland mithalten. Der weltweite Schnitt betrug im Jahr 2019 in etwa 55 Kilogramm pro Kopf, in Europa waren es immerhin 180 Kilogramm pro Kopf. Im Vergleich zum Vorjahr wichen die Zahlen in Deutschland allerdings nicht besonders stark ab: 2018 waren es auch 240 Kilogramm Papiererzeugnisse pro Kopf. Dennoch übertraf Deutschland auch damals schon den europäischen Durchschnitt, der bei einem Papierverbrauch von 182 Kilo pro Kopf lag.

Deutschland als Europameister in der Branche
Doch nicht nur beim Papierverbrauch liegt Deutschland vorne: Auch als Papierproduzent und Papierimporteur sowie -exporteur hat Deutschland die Nase vorne. Diese Rolle am Markt hat sich in den letzten Jahren konsolidiert. Das ist jedoch noch nicht alles: Auch beim Sammeln und Recyclen von Altpapier landet Deutschland nach China, Japan und den USA auf Platz vier. Eine erfreuliche Bilanz: 2019 wurden in Deutschland insgesamt 17,2 Millionen Tonnen Altpapier wiederverwertet – eine Zahl, die fast so hoch ist wie der Papierverbrauch selbst. Allerdings ist diese Zahl kritisch zu sehen, denn der Großteil des Recyclingpapiers in Deutschland wird exportiert. Importiert hingegen wird vor allem umweltschädlicheres Papier aus Primärfasern oder Rohstoffe, die nicht zu 100% nachhaltig angebaut werden.

Umsätze in Deutschland und Europa
Die Umsätze, die in Deutschland und in Europa mit der Papierbranche erzielt werden, sind enorm. In den Jahren 2000 bis 2020 erwirtschaftete die Europäische Union mit Papiererzeugnissen und Zellstoff satte 83 Milliarden Euro. In dieser Zeitspanne waren es ganze 12,7 Milliarden Euro, die nur durch Deutschland verzeichnet wurden. Dies macht Deutschland zum Vorreiter Europas in der Papierbranche – eine Rolle, die sowohl mit Herausforderungen, als mit Chancen verbunden ist.

Quellen:
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/papier_-_wald_und_klima_schuetzen-reichart_1.pdf

https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/papierherstellung-papierkonsum-und-die-folgen-fuer-die-umwelt/

https://www.regenwald-schuetzen.org/fileadmin/user_upload/pdf/Projekt/Save/LI/save-our-planet-li2-a-geschichte-papier.pdf

https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/ressourcenschonung/papier/30377.html

https://de.statista.com/themen/2995/statistiken-zur-papier-und-zellstoffindustrie/#:~:text=Der%20weltweite%20Papierverbrauch%20von%20rund,mit%20insgesamt%20110%20Millionen%20Tonnen.

https://www.papierindustrie.de/

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