Die Daily-Telegraph-Affäre: Als der Kaiser zu viel redete
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Im Oktober 1908 erschütterte ein Skandal das Deutsche Kaiserreich: Die britische Zeitung Daily Telegraph veröffentlichte ein Interview mit Kaiser Wilhelm II., das für große Empörung in Deutschland sorgte. Doch was war der Inhalt dieses brisanten Gesprächs?

Der Inhalt des Flotteninterviews
In dem Interview, das auf Gesprächen mit dem britischen Oberst Edward Montagu-Stuart-Wortley basierte, stellte sich Wilhelm II. als englandfreundlich dar. Er behauptete unter anderem:
- Er gehöre zu einer pro-britischen Minderheit in Deutschland.
- Er habe ein Vorgehen Russlands und Frankreichs gegen England im Burenkrieg verhindert.
- Sein Schlachtplan habe den Sieg im Burenkrieg ermöglicht.
- Die deutsche Flottenrüstung richte sich nicht gegen England, sondern gegen Fernost.
Diese anmaßenden und taktlosen Aussagen provozierten nicht nur England und Japan, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit. Besonders brisant: Nur wenige Jahre zuvor hatte der Kaiser dem Präsidenten der Burenrepublik noch zum Sieg über die Briten gratuliert.
Die Folgen des Interviews
Die Veröffentlichung löste eine Staatskrise aus. Viele forderten sogar die Abdankung des Kaisers, der sich selbstherrlich als eigenständiger Außenpolitiker präsentiert hatte. Reichskanzler Bernhard von Bülow bot seinen Rücktritt an.
Er behauptete, das Interview nicht gelesen zu haben, bevor es autorisiert wurde. Vermutlich wollte er dem Kaiser aber eine Lektion erteilen, um dessen Machtanspruch zu begrenzen. Wilhelm II. musste sich in der Folge deutlich zurückhalten.
Fazit: Das Flotteninterview löste eine schwere Krise im Kaiserreich und einem dauerhaften Autoritätsverlust des Monarchen aus
Das Daily-Telegraph-Interview zeigte, wie ungeschickt und anmaßend sich Wilhelm II. auf internationalem Parkett bewegte. Es führte zu einer schweren Krise im Kaiserreich und einem dauerhaften Autoritätsverlust des Monarchen. Letztlich war es ein Beleg für die Schwächen des politischen Systems und die Überforderung des Kaisers mit seiner Rolle.